Fieser Matsch vs. Feinste Musik – Southside Festival 2010

News am 7. Juli 2010 von schlegi

Das 11. Southside Festival fand vom 18.-20.06.10 wieder bei Neuhausen ob Eck statt. Festivalhopper Schlegi berichtet von dem vielschichtig durchwachsenen Erlebniswochenende der besonderen Art auf der schwäbischen Alb.

Wenn man, so wie ich, in der Mitte Deutschlands beheimatet ist, auf alternative Musik steht und auf ein größeres Festival fahren möchte, dann kann man sich entweder fürs Hurricane oder genauso gut fürs Southside entscheiden. Vor zwei Jahren fiel die Wahl auf den Norden, der Abwechslung halber sollte es diesmal die Südseite sein.

Der Wochenendausflug begann Donnerstag Nachmittag bei Sonnenschein, der sich leider ziemlich schnell in ein dickes Wolkenmeer verwandelte. Von der Autobahn runter kam dann noch der längst angekündigte Regen dazu. Der stundenlange Stau vor, in und hinter Tuttlingen machte dann auch leider den In-der-Dämmerung-Zeltaufbau-Plan zunichte. Aber daran war wegen des Dauerregens bei Ankunft auf dem Festivalparkplatz sowieso nicht zu denken. Also, ein paar Dosenbier um die Stimmung anzuheben und den Schlafsack gegen die Nachtkälte im Auto, immerhin wars dort noch trocken.

Freitag Vormittag lies der Regen zum Glück nach und die kurzerhand noch besorgten Gummistiefel konnten sich im Schlamm und Matsch vollends entfalten. Genau wie das am Vortag auf der Hinfahrt noch schnell erworbene Wurfzelt. Die versprochenen zwei Sekunden Aufbauzeit erweiterten sich dann zwar eher zu zwei Minuten, aber absolut kein Problem. Schnell auf zum Public Viewing Deutschland vs. Serbien auf dem Campinggelände. Weit hinten zwischen diversen Zelten mussten wir die bittere Niederlage ertragen, dafür schien die Sonne wenigsten ein bissschen durchzukommen, die Stimmung wurde besser.

Die Festivaleröffnung wurde leicht verpasst und begann dann äußerst erfrischend mit We are Scientists auf der Blue Stage. Ebenso lässig ging es nebenan auf der Green Stage mit Vampire Weekend weiter, beides sehr gut zum warm werden und einfach locker flockig rockig.

Mein absolut persönliches Highlight des ganzen Wochenendes folgte dann auch schon gleich im Anschluss: Jack Johnson. Die Stimmmung war enorm ausgelassen und man merkte ihm deutlich den Spaß an, den er beim Jammen zusammen mit seinen Jungs um Zach Gill auf der Bühne hatte. Die Sonne unterstützte ihn bei seinem Auftritt sogar noch tatkräftig, wozu er charmant anmerkte: „I thought Hawaii would be a nice place, but here it’s almost nicer!„. Er hatte sich wohl noch nicht den bereits verschlammten Zeltplatz angeschaut ;).

Später gings zur Red Stage, wo die Donots in überzeugender Manier das Publikum im Zelt nach vorne trieben. Derweil begeisterten Faithless auf der Green Stage duch die grandiose Ausstrahlung von Frontmann Maxi Jazz und durch die mächtige Lightshow.

Den ersten Tag beendeten The Strokes als Headliner auf der Green Stage. Sänger Julian Casablancas schien von irgendetwas zu viel getankt zu haben und war recht konfus drauf, als es ihm mit Sonnenbrille vor Augen zu dunkel war und er ständig nur von „just kidding“ sprach. Ansonsten recht beeindruckend die zahlreichen doch schon älteren Indie-Disko-Songs mal live mitzuerleben. Massive Attack auf der Blue Stage versüßten anschließend im Vorbeigehen noch etwas den Heimweg zum Zelt durch die kühle Nacht.

Der Samstag begann nach Entfernen der obligatorischen Ohropax erschreckend: es prasselte lauter Regen aufs Zeltdach, die Motivation war am Boden und wurde durch die lange Schlange bei den Duschen und deren Schlammüberfüllung nicht besser. Zwei Duschzelte für 50.000 Besucher sind dann doch etwas dürftig bemessen, genau wie die beiden Zeltplatzeingänge, aber naja. Sämtliche Nachmittags-Bands mussten dann leider aufgrund des Dauerregens und der eigenen Bequemlichkeit dran glauben. Dem Zustand des ohnehin schon verschlammten Geländes half dies natürlich noch weniger.

Um 16 Uhr raffte ich mich dann doch mal auf zu Moneybrother auf der Red Stage ins Zelt. Verständlicher Weise war hier der Andrang aufgrund der Überdachung groß und auch vollkommen berechtigt: Moneybrother brachte gekonnt seinen Soul unter das Publikum.

Anschließend hörte der Regen sogar ganz auf und ich lauschte der schicken Wortakrobatik made by Dendemann und seiner Band, schönes Ding auf der Blue Stage! Bleiben wir doch gleich bei deutscher Musik und weiter gehts mit Madsen auf der Green Stage, die ordentlich loslegten und die Menge zum Singen und Springen anfeuerten.

Die Zeit vor Dropkick Murphys nutzte ich um vor die Wellenbrecher zu kommen, mit Erfolg nach kurzem Anstehen und Quetschen am Eingang zum „Infield“, und wartete dort wie viele andere auf den Auftritt des Headliners für Samstag: die Beatsteaks aus Berlin. Nachdem vor zwei Jahren der Sound beim Hurricane miserabel war, wollte ich diesmal wenigstens bei der Position auf Nummer sicher gehen. Erst war ich skeptisch, dass diese irische Pub-Punk-Musik so gut als „Lückenfüller“ vor den Beatsteaks geeignet war, aber die Jungs von Dropkick Murphys fanden auch unter den weiteren Wartenden einige positive Resonanz und wärmten die Masse bei den herbstlich-frischen Temperaturen schonmal gut vor.

Wenig später wars dann soweit und die Beatsteaks enthüllten ihren autodiskographischen U-Bahn-Plan im Hintergrund. Wie gewohnt war bei ihrer Show, unterstützt von einem Bläser-Trio, wieder alles dabei: Pogen & Circles Of Death, Feuerzeuge & Mitsingen (Hey du!), Hinsetzen & Aufspringen (Let Me In) und auch ein neuer Song ihres im kommenden Dezember erscheinenden Albums wurde präsentiert. Einen Gastauftritt hatte TurbostaatSänger Jan Windmeier und Arnim brachte sich schon mal fürs spätere Auflegen im Titty Twister in Stimmung.

Währendessen boten The Prodigy auf der Blue Stage wahrscheinlich eine ebenso geile Pogo-Show, dort war es aufgrund des von der Bühne zum FoH laufenden Wellenbrechers und der daraus resultierenden seitlichen Zweiteilung mächtig eng und ging auch ordentlich ab. Anschließend boten Deichkind auf der Blue Stage eine gewohnt abgedrehte Show mit ihren zahlreichen Mitgröl-Parolen, die ich nur von weit hinten kurz mitverfolgte.

Der Sonntag meinte es besser und schickte keinen neuen Regen aufs Festivalgelände. Der Festivaltag begann für mich trotzdem erst um 15 Uhr mit Jennifer Rostock auf der Blue Stage. Jenny (wie man sie laut ihrem gleichnamigen Liedtitel ja eigentlich nicht nennen sollte) animierte dann die Rockgemeinde gleich mal mit einigen spaßigen Obszönitäten. Auf der Green Stage gings weiter mit Skunk Anansie. Frontfrau Skin faszinierte hier mit ihrer Hammer-Austrahlung und puren Energie.

Jetzt war es langsam an der Zeit die Perspektive mal leicht zu ändern im Jägermeister-Hochsitz. Hier nochmal ein dickes Dankeschön, dass dieser kleine Höhenflug so gut geklappt hat und einen schönen Blick aus der Vogelperspektive auf das Festivalgelände ermöglichte.

Der neuen zusätlichen White Stage musste ich aber auch noch einen kleinen Besuch abstatten. Hier fanden tagsüber verschiedene DJ-Constests in Abwechslung mit einem Kleinkunstprogamm statt.  Das Zirkusprogramm „Kunst & Flugwerk“ mit allerlei Akrobatik und Show faszinierte sehr und bot eine sehenswerte Abwechslung für zwischendurch im Zelt.

Danach wurde im Shisha-Zelt vor dem Eingang zum Festivalgelände kurz gechillt und anschließend zurück ins Red Stage-Zelt zu Bonaparte. Passend zu deren Albumtitel war es hier auch deutlich too much! Die Eingänge waren ohne Security am Platzen und mich wunderts im Nachhinein sehr, dass hier keiner erdrückt worden ist bzw. keine Panik ausgebrochen ist. Auf dem Hurricane wurde das Zelt wegen Überfüllung komplett geschlossen, hier war es auch kurz davor. Einmal durch die Massen hindurchgequetscht, gabs dann drinnen die schon etwas berühmt berüchtigte Show des Berliner Künstlersammelsuriums mit viel Nacktheit und mehr oder weniger sinnfreien Darbietungen. Nichtsdestotrotz ging es einfach gut ab und der Schweiß floss ordentlich.

Wieder nach draußen zu kommen war es dann deutlich einfacher und ich bekam noch das Finale des Auftritts von Element of Crime mit, welches gut geeignet zum Wiederrunterkommen und besinnen war :). Mein Festivalabschluss sollten Mando Diao auf der Blue Stage darstellen. Die Schweden lieferten für mich ein überzeugendes Konzert ab, trotz dass sie auf die kleinere Nebenbühne abgeschoben wurden und gegen Billy Talent als Headliner auf der Green Stage antreten mussten. Dem Publikum war allerdings anzumerken, dass nach drei Tagen die Kraft zum Singen und Springen etwas nachgelassen hatte. Dennoch war die Stimmung euphorisch genug, auch nach dem ruhigen und etwas langen Akustik-Zwischenteil der beiden Frontmänner Björn & Gustaf. Etwas wehmütig stapfte ich anschließend vom Festivalgelände auf noch ein paar Bier im Zelt davon.

Am Montag Morgen gestaltete sich der Zeltabbau dann als etwas schwierig, zum Glück passte es aber nach einigen Faltversuchen doch wieder in die Packung. Die Gummistiefel, die sich sehr verdient gemacht hatten, wurden dann aber doch auf dem Parkplatz zurück gelassen, eine Stiege Dosenbier fuhr sogar wieder mit nach Hause.

Musikalisch und stimmungstechnisch war das Southside letztenendes ein Traum, der Schlamm gehörte irgendwann dazu und wurde genau wie die Kälte einfach wohlwollend ignoriert, dafür holten die genialen Konzerte und die besonderen Augenblicke alles wieder raus. Egal ob Nord oder Süd, beide Festivals (Southside+Hurricane) bieten sicher leichte Vor-und Nachteile in Anfahrt, Lage und Umgebung, vielleicht auch in der Atmosphäre oder beim Wetter :D, aber die gebotene Musik ist sowieso überall gleich gut und einfach ein schönes unvergessliches Festivalerlebnis!

4 Kommentare zu “Fieser Matsch vs. Feinste Musik – Southside Festival 2010”

  1. Nummer 1: DirecThor sagt:

    Schöner Bericht .)

  2. Nummer 2: Hurricane / Southside 2011 Tickets im VVK | Festival News sagt:

    […] beim Wetter nur mit der Kälte zu kämpfen – beim Southside dagegen versank wirklich alles im Schlamm und konnte nur gute Organisation noch gerettet werden. Lest mehr dazu bei unseren Berichten vom […]

  3. Nummer 3: Southside 2010 – Chronik einer angekündigten Schlammschlacht | Festival News sagt:

    […] (Ein weiterer Southside Rückblick 2010: Fieser Matsch vs. feinste Musik Southside 2010) […]

  4. Nummer 4: Southside 2011: ein Blick zurück! | Festival News sagt:

    […] 2010” liegt nicht fern, auch wenn es dieses Jahr nicht ganz so schlimm war (Fieser Matsch vs. feinste Musik 2010 und Chronik einer angekündigten Schlammschlacht […]

Kommentar schreiben

© 2005-2023 Festivalhopper.de - Ralf Prescher & Team | Impressum | Kontakt | Datenschutz | Werbung