Ein Interview über das Appletree Garden Festival: „Die Bands kriegen hier selbstgemachte Kräuterbutter“

News am 28. Juli 2015 von Sina

AppletreeGarden_3Wir von Festivalhopper.de hatten das Glück, spontan mit einem Gründungsmitglied des Appeltree Garden Festival 2015 zu sprechen. Henning erzählt im Interview warum sein Herz am Appletree hängt und das selbst der Nachbarbauer liebend gern unter Bäumen tanzt. Den ganzen Bericht zum Appletree Garden 2015 lest ihr demnächst hier.

Festivalhopper: Warum und wie lange gibt es das Appletree Garden Festival?

Das Appletree gibt es seit dem Sommer 2001, da haben wir angefangen und seitdem auch durchgängig gemacht, es ist also jetzt die 15. Auflage dieses Jahr. Das Festival gibt es, weil wir hier in so einer abgeschiedenen Region leben. Es gab in den 90ern in der Umgebung in den Dörfern 2-3 alternative Rockschuppen und es gibt eine Großraum Technodisko hier in Diepholz. Aber wer darauf nicht steht ist raus.

Im Sommer 2000 hat der letzte von den Läden im Nachbarort dicht gemacht. Und acht Leute von uns, von dem harten Kern, die alle hier aus Diepholz kommen, die saßen dann vor den verschlossenen Toren dieser Disko und haben sich gedacht „Das kann doch nicht wahr sein, da müssen wir selber was machen“.

Festivalhopper: So ist das Festival entstanden?

Wir haben dann eine Party gemacht, das waren 250 Leute und vier Bands, Kumpels von uns, die haben auf einem Kartoffelanhänger gespielt, der stand im Garten der Eltern unseres Chefs. Das war eine schöne Party und wir haben gesagt, das machen wir nächstes Jahr wieder und dann haben wir es auch schon Festival genannt. In diesem Garten standen tatsächlich Apfelbäume, daher der Name, und dann haben wir den „Verein zur Förderung der Jugendkultur Diepholz“ gegründet, als Veranstalter.

Nach fünf Jahren wurde es für den Garten zu groß und dann sind wir hierher gezogen, weil wir das Gelände schon kannten. Hier finden im Jahr nur zwei Veranstaltungen statt. Der Schützenverein, der sein Fest feiert und dann noch ein Ferienspaß für Kinder, ansonsten liegt das brach, was total schade ist, weil der Bürgerpark ein herrliches Gelände ist. Unser Nachbar hier, der Bauer Landgraf, ist voll auf unserer Seite, der ist abends auch immer vor der Bühne und bringt seine Leute mit und zieht am Sonntag die Autos aus dem Schlamm und der hilft uns auch mal vor dem Festival mit seinem Trecker, wenn es um was Schweres geht.

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Festivalhopper: Warum bist du so lange dabei geblieben?

Dabei geblieben bin ich, weil der harte Kern vom Anfang noch dabei ist. Natürlich kamen welche dazu und sind gegangen und viele von uns haben jetzt auch schon Kinder, aber wir machen das, weil wir immer noch oft hierher kommen und unserer Heimat auch immer noch verbunden sind. Früher haben wir uns noch in den Semesterferien getroffen und nebenbei dieses Festival gemacht, mittlerweile treffen wir uns hier, um das Festival zu organisieren, viele nehmen sich sogar Urlaub.

Ich bin aus Idealismus dabei. Keiner von uns ist professioneller Veranstalter, wir haben den Verein gegründet und der Einzige, den wir bezahlen ist unser Chef. Alle anderen machen das, weil sie Bock drauf haben. Wir haben hier übers Wochenende um die 150 Helfer, viele auch von außerhalb, die mal als Gäste hier waren und dann einfach Bock drauf haben, und sich dann so ihr Ticket verdienen. Geld kriegt keiner und deshalb ist es auch so schön, weil wir möglichst wenige Aufgaben delegieren.

Wir brauchen natürlich einen externen Security Service und die Bühnen schaffen wir auch nicht allein, aber Bauzäune aufstellen, an den Theken stehen und das Catering für die Bands, das machen alles wir. Das macht auch einen riesen Eindruck bei den Bands. Die sind oft Großküchen gewohnt und kriegen hier z.B. selbstgemachte Kräuterbutter. Das finden sie geil und gehen mit einer entsprechenden Einstellung auf die Bühne und das überträgt sich auf die Besucher.

Festivalhopper: Habt ihr denn Probleme mit dem Nachwuchs oder Sorge, dass es irgendwann keine Leute mehr gibt, die das machen wollen?

Es ist schon eine kleine Lücke entstanden. Es sind in den ersten Jahren jüngere Geschwister nachgekommen und dann gab es mal einen starken Jahrgang, als einige Diepholzer dem Verein beigetreten sind, aber mittlerweile sind die auch schon Mitte, Ende 20.

Festivalhopper: Ihr habt jetzt 5000 Tickets verkauft, waren es in den letzten Jahren auch schon so viele?

Wir sind jetzt seit den letzten paar Jahren in dieser Größenordnung, letztes Jahr waren es auch schon 5000 verkaufte Tickets, im Jahr davor waren es 4500 und davor 4000.

Festivalhopper: Wollt ihr noch wachsen?

Nee, können wir nicht. Weil wir nicht mehr Campingplätze kriegen. Also, die Flächen gehören unserem Nachbarn, dem Bauer Landgraf, der hilft uns zwar gerne, aber der hat nicht mehr. Der Campingplatz ist voll. Das Gelände könnten wir noch in den Wald erweitern, das wäre kein Problem, aber durch den Campinglatz ist uns eine natürliche Grenze gesetzt und das ist auch gut so. Das finden wir alle. Es gibt eigentlich niemanden der sagt, wir müssen größer werden.

Festivalhopper: Wenn man größer wird, verliert man auch den Geist, oder?

Je größer du wirst, umso weniger kannst du selbst machen. Dann musst du delegieren, damit gibst du Kontrolle ab und dann läuft es nicht mehr genauso, wie du willst. Wir können noch vieles selbst machen. Deswegen ist es so schön.

Festivalhopper: Wer sucht die Bands aus?

AppletreeGarden_2Das macht unser Chef, mittlerweile auch wieder im Alleingang. Zwischendurch hatten wir ein paar Jüngere, die voll in der Szene drin waren, und sich auskannten und ganz gute Tipps gegeben haben, der Chef ist mittlerweile aber wirklich fit. Dafür werden wir, glaube ich, auch viel gelobt, dass es ein sehr ausgesuchtes Line-up ist und man immer was entdecken kann. Ich persönlich kenne dieses Jahr nur die Bands, die schon mal bei uns waren und Tocotronic, natürlich.

Festivalhopper: Ihr werdet stark von dem Bauern unterstützt, hat es trotzdem ein bisschen gedauert bis auch die Stadt Diepholz hinter dem Appletree stand?

Der Bauer fand das von vornherein geil. Er lässt jedes Jahr so 5-10 Mann auf die Gästeliste schreiben und steht dann mit seinen Kumpels vor der Bühne. Seine Kühe weiden auf der Wiese, wo jetzt unser Campingplatz ist, die wollen da auch schnell wieder drauf. Wenn wir aufräumen, gehen wir mit einer Menschenkette darüber und heben wirklich jede Kippe und jeden Kronkorken auf, damit die nicht gefressen werden. Keine schöne Arbeit. Der Bauer hilft auch bei Schlamm. Letztes Jahr hat es 48h geregnet, von Donnerstag bis Samstagabend und dann waren am Sonntag acht Trecker im Einsatz.

Bis die Stadt dahinter stand, hat es ein bisschen gedauert. Diepholz ist eine Klein- und Kreisstadt, viele Beamte, Schützenverein, eben sehr ländlich. Anfangs waren die Leute zurückhaltend. Aber seitdem die Besucher vor ein paar Jahren bei Mistwetter mal in die Stadt geströmt sind und bis Samstagmittag Gummistiefel und Regenschirme in Diepholz ausverkauft waren, haben die Einwohner angefangen zu verstehen, dass es zumindest für ein paar Tage auch ein wirtschaftlicher Gewinn für die Stadt ist. Mittlerweile ist die Akzeptanz gut, viele freuen sich auf das Wochenende.
Dieses Jahr hat die Stadt ein Banner am Kreisverkehr aufgehängt: „Die Stadt Diepholz begrüßt die Besucher des Appletree Garden Festival“, das zeigt die Anerkennung. Wir haben aber auch immer Maßnahmen gemacht, um die Akzeptanz zu steigern. Zum Beispiel Führungen über das Gelände, für die Anwohner. Und das funktioniert auch, sie sind sehr interessiert.

Festivalhopper: Hast du Sorge, dass das Festival irgendwann nicht mehr so stattfinden kann?

Unser Chef steht so sehr dahinter und macht es so sehr mit Leib und Seele, der wird das, wenn es nach ihm geht, auch noch die nächsten 30 Jahre machen. Die Frage ist, ob genug Nachwuchs kommt. Wir merken natürlich, dass sich da auch was verschiebt, ich bin jetzt mit meinem Kind hier und das ist einfach was ganz anderes.

Das Geheimnis des Appletrees ist, dass es hauptsächlich Leute machen, die voll und ganz dahinter stehen. Wenn wir dann alle irgendwann nicht mehr können, dann muss er sich Leute ranholen und dann könnte der Charakter verloren gehen. Aber wenn ich mir dieses Jahr die Aufbauwoche anschaue und wer sich alles sieben Tage von seinem Jahresurlaub frei nimmt, nur um dabei zu sein, bin ich beruhigt.

So lange wir das so machen ist das cool und wird das Appletree auch so weitergehen und was danach kommt, weiß ich nicht.

Wir danken Henning für dieses spontane Interview und ziehen den Hut vor so viel Liebe und Ambition!

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